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Gesehen und Gesehen werden - Junge Gemeinde

19.05.2017

 

Es wird warm und der Sommer ist nicht mehr weit von uns entfernt. Bei sommerlichen 25 Grad Celsius am Freitagabend, den 19. Mai traf sich die Junge Gemeinde diesmal im kleinen Garten des CVJM-Jugendhauses in Wriezen.

 

ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST


Niedergelassen auf vielerlei bunten Decken sangen die Jugendlichen ihre liebsten Lieder und erzählten von ihren letzten Ereignissen. Und um die lockere Atmosphäre gleich mitzunehmen, spielten sie ein von Kindern gern gesehenes Spiel „Ich sehe, das was du nicht siehst.“ Draußen in der Natur konnten die Jugendlichen ihre Kreativität freien Lauf lassen. Sie sahen vielmehr als nur in den Räumlichkeiten des Jugendhauses. Alle lachten viel und das Spiel ist fast zu einem Wettkampf geworden, wer am Meisten erraten konnte.

 

ICH WOLLTE SCHON IMMER MAL ... SEHEN


Doch es ging weiter mit „Sehen“ und zwar mit der Frage: „Was siehst du gerne in deiner Umwelt?“ Nachdenklich sahen sie umher und antworteten „Familie“, „Freunde“, „glückliche und lachende Menschen“, „Eltern“, „den Partner“, „dich!“ Viele weitere Antworten kamen.

 

Darauf folgte sogleich die nächste Frage „Was wolltest du schon immer mal sehen?“ Für einige waren es die entferntesten Orte wie Berlin, San Francisco, New York, Paris, Rom oder weitreichende Strände wie in Australien oder die deutsche Ostsee. Andere würden gerne Orte sehen, die unsere Welt besonders machen. Die Niagara Fälle, die Pyramiden von Gizeh, die Alpen oder auch den Nord Cap in Norwegen an dem die Nordlichter zu sehen sind. Manche Jugendliche würden auch gerne eine intakte Familie sehen wollen, sich wohl fühlen wollen, sich von Freunden halten lassen, Vertrauen spüren wollen und noch mehr.

 

SEHEN UND GESEHEN WERDEN


Dazu gab es eine kleine Geschichte. Eine kleine Geschichte in Mitten von Berlin:

>> Mittwochabend am Alexanderplatz. Eine junge Frau mit braun glänzendem Haar und einem beigefarbenen Sommerkleid schritt zu den Bahnhofsgleisen und hört die Durchsage: Schienenersatzverkehr ist eingerichtet. Die Frau versucht sich zu orientieren. Menschen eilen an ihr vorbei. Sie spricht Vorbeieilende an. Bittet um Hilfe. Niemand antwortet. Sie hat das Gefühl, unsichtbar zu sein. Jemand kommt und fragt, ob sie Hilfe bräuchte. Dankbar erklärt sie, wohin sie müsse. „Kommen Sie, ich bringe Sie zum Bus“, erklärt ihr Helfer. Er hat eine junge Stimme. Auf dem Weg durch die vielen Menschen erzählt er von seinem Leben. „Meist sind wir hier auf dem U-Bahnhof, wenn man uns lässt. Wir haben Sie gesehen und beobachtet, dass Sie keiner sehen wollte, obwohl Sie mitten im Weg standen.“ An der Bushaltestelle wartet ihr Begleiter noch mit ihr, bis der Bus kommt. Vor dem Einsteigen verabschiedet sie sich: „Danke für Ihre Hilfe, Sie waren wirklich sehr umsichtig.“ Die Tür schließt sich. „Na da hatten Sie ja Glück, dass Sie den nicht sehen konnten“, sagt der Busfahrer und fährt los. <<

Die Frau steigt in den Bus und setzt sich direkt neben dem Busfahrer auf dem erst besten Platz und blickt aus dem Fenster. Sie sieht ihn nicht mehr. Ihr Lieben: Wieso sagt der Busfahrer „Zum Glück konnten sie ihn nicht sehen?“

 

Die Jugendlichen hatten sofort eine Antwort. Die Frau war Blind. Sie konnte nicht sehen oder nur wenig. Vielleicht war es auch einfach zu dunkel und voller Angst hat sie nicht richtig hingesehen, wer ihr eigentlich hilft. Oder in einer ganz anderen Perspektive gesponnen, kannte der Busfahrer den jungen Mann und hatte eine persönliche Abneigung gegen ihn.

 

Wenn man sie lässt, sind sie öfter am U-Bahngleis. Menschen rennen an der Frau vorbei. Sie sehen wie hilflos sie ist und keiner hilft. Menschen, die an der U-Bahn geduldet – jedoch nicht erwünscht sind – wagen es aufzustehen, ihren Mut zusammenzunehmen und der Frau zu helfen. Auch sie bitten um Hilfe und wandeln durch die Stadt. Durch die Bahnen, manchmal mit einer Zeitung in der Hand oder liegen einfach nur noch auf Bänken oder in Ecken dar.

 

EINE SACHE DER PERSPEKTIVE


Wie sehen die Menschen in dieser Geschichte? Oder anders gefragt mit welcher Perspektive?

Menschen sehen nur das, was sie sehen wollen. Sie gehen umher und sind zielgerichtet. Sie lassen niemanden an sich heran. Sie lassen keine Frau an sich heran, die verzweifelt und hilflos mitten in Berlin um Hilfe bettelt. Sie bittet um Hilfe, weil sie nicht sehen kann, wohin sie gehen muss, um ihren Bus zu erreichen. Sie wird gesehen und doch ignoriert und selbst kann sie nichts außer durch ihre Ausweglosigkeit auf ein wenig Trost hoffen. Hoffen und sehen wie es weiter geht. Der hilfsbereite Mann hat nichts, nicht mal einen ständigen Wohnsitz. Er hofft, in der Bahn oder an den Gleisen auf einer Bank Obdach zu finden. Er hat nichts außer sich selbst. Er kann nichts mehr verlieren, außer eine Zeitung zu verkaufen oder einer blinden Frau zu helfen.

 

Die Menschen blicken hindurch. Die einen ignorieren die Not anderer. Und die wenigen, von der Gesellschaft ausgegrenzt, und auf andere angewiesen. Sie sehen die Not. Sie gucken nicht oberflächlich. Krumme Nase, Körperbau naja. Riesen Pickel. Sie blicken in ihr Innerstes.

 

DU SIEHST MICH!


Jesus sagte im Matthäus 6,22 „Dein Auge ist das Licht des Leibes“ oder anders gesagt „durch deine Augen fällt das Licht in deinen Körper. Wenn sie klar sehen, sind sie ganz und gar vom Licht erfüllt.“

 

Sehen und gesehen werden. Manchmal schauen wir durch andere Augen oder sehen etwas plötzlich im ganz anderen Licht. Wo keine Not war, ist plötzlich eine. Plötzlich sieht man die Freundin ganz anders. Ich möchte euch nur eines mit auf dem Weg geben. „Du wirst gesehen“. „Du siehst mich.“

 

Wo mit anderer Sicht hingesehen wird, da verändert sich etwas. Da entsteht Mitmenschlichkeit und Nähe, ein Sehen mit dem Herzen, aus der Perspektive Gottes sowie der Frau geholfen wird, obwohl sie nicht sehen kann – von jemanden – von dem man es am wenigsten erwartet. Dein Herr sieht dich, auch wenn du es nicht glaubst. Er sieht dich und trägt dich. Auch in der größten Not und Hilfslosigkeit.

 

Was bringt es zu träumen oder die schönsten Orte dieser Erde zu erkunden, wenn du nicht genau hin siehst. Diese Orte sind göttlich, da sie vom Herrn erschaffen sind. Doch sehe nicht weg, auch du bist mal in Not.

Am Ende stellte sich für manche die Frage: „Wieso sollte ich Obdachlosen helfen?“ Es bringe ja eh nichts außer weniger Geld und das sie es eh für Alkohol ausgäben. Diese Frage wurde angeheizt bei Keksen und dem Sonnenuntergang debattiert.